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Pestizide in Blühpflanzen

Das Insektensterben wird immer mehr spürbar! Betroffen sind auch viele hochspezialisierte Wildbienenarten und auch die häufigeren Arten, die für die Bestäubung von Obstgehölzen und vielen anderen Blühpflanzen unentbehrlich sind, nehmen kontinuierlich ab. Um etwas dagegen zu tun, kaufen viele Menschen zeitig im Frühjahr „bienenfreundliche“ Blütenpflanzen für Balkon und Garten als Nektar- und Pollenspender. Eigentlich eine gute Idee! Aber es gibt eine bittere Kehrseite: Sehr viele dieser Pflanzen sind mit teils hochgradig bienengiftigen Pestiziden belastet! Hier der diesjährige Flyer zum Thema.

Giftige Blüten

Früh blühende Aubretien für Hummeln, Honigbienen und Co. Foto: S.Maurer-Wohlatz

Der BUND und seine Partnerorganisation Global 2000 haben deshalb bereits 2021 und 2022 bienenfreundliche Pflanzen im Handel auf Pestizidrückstände untersucht und dabei sehr hohe Belastungen nachgewiesen. Die damaligen Ergebnisse und weitere Hintergrundinformationen zum Thema können Sie in den Publikationen von Global 2000 und BUND hier und hier nachlesen. 2023 hat der BUND Region Hannover erneut getestet, um zu überprüfen, ob sich die Ergebnisse aus 2021 und 2022 bestätigen, oder ob sich die Situation nach intensiven Gesprächen mit den hiesigen Händlern und Großgärtnereien möglicherweise bereits verbessert hat.

Kontakt

Dr. Bernd Alt

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Bedrohte Artenvielfalt

Schwebfliege an Fenchelblüte, Foto: Dr. Bernd Alt

Bestäuber wie Honigbienen und Wildbienen, auch Schmetterlinge, Schwebfliegen, Wespen oder Käfer, spielen eine Schlüsselrolle in unseren Ökosystemen und für unsere Ernährung. Sie bestäuben rund 70 Prozent der weltweit meistgehandelten Nahrungspflanzen. Insgesamt sind 80 Prozent aller Blütenarten für ihre Vermehrung auf tierische Bestäuber angewiesen. Der weltweite Rückgang der Insekten bedroht sowohl die biologische Vielfalt als auch die Ernährungssicherheit für uns Menschen. Intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung, der Einsatz von Pestiziden und Umweltverschmutzung, ebenso wie Krankheitserreger oder invasive, gebietsfremde Arten und der Klimawandel sind die Treiber des Artensterbens.

Bedeutung von Pestiziden für das Artensterben

Taubenschwänzchen an Verbena bonariensis, Foto: Dr. Bernd Alt

Pestizide sind Giftstoffe, die unsere Kulturpflanzen vor Krankheiten, Schädlingen oder Konkurrenzpflanzen schützen sollen und werden daher "Pflanzenschutzmittel" genannt. Wenn sie Insekten den Garaus machen, nennt man sie Insektizide. Geht es gegen Pilze, greift man zu Fungiziden, gegen Beikräuter zu Herbiziden und gegen Schnecken zu Molluskiziden. Pestizide wirken aber nicht nur auf die Zielorganismen, gegen die sie eingesetzt werden, sondern haben eine ganze Reihe von Nebenwirkungen: Zum Beispiel machen Insektengifte gegen Blattläuse auch vor “Nützlingen” wie Bienen nicht halt. Pestizide gelangen in Gewässer, reichern sich im Boden und auch in Lebewesen an und können akute und/oder chronische negative Auswirkungen auf die Gesundheit und auf ganze Lebensgemeinschaften haben. Blütenbesuchende Insekten nehmen Pestizide auf, wenn sie Pollen und Nektar sammeln. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Pflanzen, die für Bienen und Co. attraktiv sind, möglichst frei von Pestiziden sind.

Herkunft von Stauden

Erdhummel an Lupinenblüte, Foto: Dr. Bernd Alt

Die in Mitteleuropa angebotenen Zierpflanzen kommen häufig als Jungpflanzen aus Ländern wie Ägypten, Äthiopien, Kenia, Costa Rica, Vietnam oder Thailand, die sich aufgrund ihres Klimas besonders für die Pflanzenzucht eignen. Einige der bei der Jungpflanzenzucht eingesetzten Pestizide sind in Europa seit vielen Jahren nicht mehr zugelassen, da sie hochgiftig sind. Zudem sind in vielen Fällen die Arbeiter*innen in den Produktionsländern ihnen schutzlos ausgeliefert.

Gesetzliche Regelungen

Trauerrosenkäfer auf Flockenblume; Foto: Dr. Bernd Alt

Das Pflanzenschutzgesetz regelt, dass Pflanzen nur dann importiert werden dürfen, wenn sie frei von in der EU nicht zugelassenen Pestiziden sind. Streng kontrolliert wird die Einhaltung des Gesetzes jedoch nicht. Es wird selten kontrolliert und es gibt praktisch keine Sanktionen für die illegale Einfuhr der belasteten Ware.

Wie werden die Risiken von Pestiziden bewertet?

Als Datenquelle für die Bewertung der Risiken der Pestizide dient die Pesticide Properties Database (PPDB) der Universität Hertfordshire und die PAN International List of Highly Hazardous Pesticides (PAN List of HHPs) ±± vom März 2021 sowie der Grenzwertkatalog von Global 2000 und die GESTIS-Stoffdatenbank.

Pestizide, deren tödliche Dosis (LD50) für Bienen weniger als 2 Mikrogramm beträgt, werden als hoch bienengiftig bewertet. Dieser Wert orientiert sich an der Einschätzung der amerikanischen Umweltschutzbehörde (USEPA: Environmental Protection Agency) sowie dem Pesticide Action Network (PAN). Daten der PPDB liegen in erster Linie für Honigbienen, aber teilweise auch für Hummeln und Wildbienen vor. Wenn für mehrere Bienenarten Daten verfügbar waren, wurde der kleinste LD50-Wert für die Bewertung herangezogen. Wir weisen darauf hin, dass „bienengefährlich“ sich nicht allein auf Bienen bezieht, sondern mit Sicherheit auch viele andere Insekten und vor allem Bestäuber wie Schmetterlinge, Schwebfliegen und Käfer einschließt. Das wirkliche Ausmaß ist aber nicht sicher bekannt, weil es nicht systematisch untersucht wird.

Testergebnisse 2023 - Zusammenfassung

  • Es wurden im April insgesamt 22 bienenfreundliche Pflanzen in den Gartencentern Gehlhaar (Altwarmbüchen), Stanze (Hemmingen) und Glende (Hemmingen)  sowie im E-Center Roderbruch, im Hornbach-Markt Altwarmbüchen und in Wunstorf in der Gärtnerei Blume und im Toom-Baumarkt eingekauft und von einem akkreditierten Labor mittels einer Multi-Analysemethode auf Pestizidrückstände untersucht – die Analysemethode umfasst mehr als 600 verschiedene Pestizide.
  • Von den 22 Proben wurden in 21 Proben Pestizide nachgewiesen. Im Durchschnitt wurden 6,5 Pestizide in einer Probe gefunden. Der Höchstwert waren 22 verschiedene Pestizide in einer Pflanzenprobe.
  • Insgesamt 38 verschiedene Pestizide wurden auf den bienenfreundlichen Pflanzen festgestellt, 5 davon sind hoch bienengiftig. Es handelt sich dabei um folgende Wirkstoffe: Acetamiprid, Deltamethrin, Flupyradifurone, Indoxacarb und Lambda-Cyhalothrin.
  • 14 Pflanzen (64%) enthielten ein oder mehrere bienengefährliche Pestizide.
  • 21 Pflanzenproben (95%) wiesen Mehrfachrückstände auf (zwei oder mehr Pestizide). Mit 22 Pestiziden enthielt eine Gänsekresse aus dem Gartencenter Stanze die höchste Anzahl an Pestiziden, gefolgt von einem Lavendel aus der Baumschule Gehlhaar mit 18 verschiedenen Rückständen. Diese Pestizidcocktails sind besonders problematisch, da sich die Giftigkeit einzelner Substanzen in den Mischungen noch deutlich erhöhen kann. Solche Wechselwirkungen zwischen Pestiziden sind noch nicht ausreichend untersucht und auch nicht Teil des Zulassungsverfahrens. Vorhandene Studien zeigen aber eindeutige Hinweise auf verstärkende Effekte. So ist etwa bekannt, dass das Neonicotinoid Acetamiprid – welches auf 6 Proben nachgewiesen wurde – in Mischungen mit bestimmten Fungiziden bis zu hundertmal bienengiftiger ist, als es für sich alleine genommen wäre.
  • Die Giftbelastung ein- und derselben Pflanzenart war bei Proben aus verschiedenen Geschäften sehr unterschiedlich. So enthielt ein Schopflavendel bei Stanze und Glende je 4 Pestizide, aber bei Hornbach 13 und bei Edeka 11 Pestizide. Blaukissen wiesen bei Stanze und Gehlhaar je 3 Pestizide auf, bei Glende dagegen 7.
  • Auf 16 der 22 Proben (73%) wurden Pestizide mit besonders negativen Eigenschaften für die menschliche Gesundheit gefunden. Ein Lavendel von Gehlhaar enthielt 18 verschiedene Pestizide, von denen 9 hochgefährlich für den Menschen sind. Diese Pestizide sind z.B. krebserregend, fortpflanzungsschädigend, hormonell wirksam, organschädigend oder von der WHO als hoch gefährlich für den Menschen eingestuft. Die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Produktionsländern sind diesen Pestiziden oft ohne Schutzkleidung ausgesetzt.
  • Auf 5 Pflanzen wurden ein oder mehrere Pestizide gefunden, die zum Zeitpunkt des Einkaufs keine Zulassung hatten. Dabei handelt es sich um die Wirkstoffe Indoxacarb, Flusilazol, Myclobutanil, Propiconazol und Prochloraz, die in der EU keine Zulassung mehr haben sowie um Mepanipyrim und Tolclofos-methyl, die in Deutschland nicht zugelassen sind. Laut Pflanzenschutzgesetz dürfen Pflanzen nicht in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit Pestiziden belastet sind, die in Deutschland keine Zulassung haben. Der Verkauf solcher Pflanzen ist illegal.
  • Als Kontrast zu dem extrem belasteten Lavendel fanden wir in einem Lavendel aus der Gärtnerei Blume eine weitaus geringere Giftbelastung („nur“ 5 Pestizide), allerdings auch dort ein in Deutschland verbotenes Pestizid. Immerhin zeigt der Fall: Unter geeigneten Kulturbedingungen kann man auch mit geringerem Gifteinsatz auskommen.
  • Auch die Pflanzen aus Wunstorf (beide Geschäfte) enthielten in 2 Fällen Pestizide, die in Deutschland nicht mehr zugelassen sind wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit für die menschliche Gesundheit.

Fazit

Sumpfschafgarbe mit Maskenbiene und Käfer; Foto: Dr. Bernd Alt

Der aktuelle Test bestätigt die Ergebnisse der letzten Jahre und zeigt erneut eine hohe Pestizidbelastung von bienenfreundlichen Pflanzen. Es besteht deshalb dringender Bedarf, Bestäuber, Böden, Gewässer und Mensch und Tier besser vor Pestiziden zu schützen.

Es ist nicht möglich, anhand unserer Testergebnisse zu beurteilen, in welchem Geschäft es grundsätzlich giftärmere Ware gibt. Es ist damit zu rechnen, dass einzelne Pflanzen so stark belastet sind, dass sie nach den Vorschriften des Pflanzenschutzgesetzes als Sondermüll entsorgt werden müssten; so wie bei dem oben erwähnten Lavendel und der Gänsekresse.

Schuld an dieser Misere sind die großen, europa- und weltweit agierenden Produzenten, weniger die Händler, die nur eingeschränkt Einfluss nehmen können und selbst keine Pestizide einsetzen. Allerdings müssen sich auch Kund*innen kritisch fragen, ob sie tatsächlich schon im April einen blühenden Lavendel kaufen müssen? Zu dieser Jahreszeit kann ein Lavendel wie auch viele andere Blühpflanzen nur dann blühen, wenn er lange Zeit im Gewächshaus kultiviert wurde. Dort herrscht ein feucht-warmes Klima, das die Kulturen anfällig u.a. für Pilzerkrankungen macht und somit den Einsatz von Pestiziden herausfordert. Robust hingegen können Stauden im Freiland angezogen werden: Ganz ohne Pestizide und im Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten.

Forderungen des BUND Region Hannover

Um das dramatische Insektensterben zu stoppen, muss der Pestizideinsatz weltweit drastisch reduziert und besser geregelt werden. Der BUND fordert dazu:

  1. Pestizidreduktion um mindestens die Hälfte bis 2030
  2. Verbot von hoch gefährlichen Pestiziden bei der Produktion von Zierpflanzen
  3. Exportverbot für Pestizide, die in der EU aufgrund von Gesundheits- und Umweltgefahren keine Zulassung haben
  4. Verbot der Zulassung von chemisch-synthetischen Pestiziden für den Haus- und Kleingarten
  5. Förderung der biologischen Zierpflanzenproduktion und der heimischen Jungpflanzenzucht
  6. Verbot der Anwendung bestimmter Pestizide in Kombination, wenn die Giftwirkung auf Insekten durch die Kombination verstärkt wird
  7. Systematische staatliche Kontrollen von Pestizidrückständen auf Zierpflanzen (inklusive Jungpflanzen)
  8. Konsequente Bestrafung für Handel mit Pflanzen, die mit in Deutschland nicht zugelassenen Pestiziden belastet sind
  9. Reform des europäischen Zulassungsverfahrens für Pestizide: Langzeiteffekte, Kombinations-wirkungen und die Auswirkung auf sensible Arten müssen zukünftig bei der Zulassung von Wirkstoffen berücksichtigt werden
  10. Einführung von strengeren Kriterien für den „europäischen Pflanzenpass“: Transparente Herkunft und Handelswege, beginnend bei der Produktion von Samen und Jungpflanzen

Was Sie selbst tun können

Insektenfreundlicher Garten mit u.a. blühendem Fenchel und Liebstöckel; Foto: Dr. Bernd Alt

Wenn Sie unsere Insekten vor den sich immer mehr ausbreitenden Giften schützen wollen, müssen Sie nicht wirklich viel tun:

  1. Kaufen Sie Blühpflanzen am besten in Gärtnereien mit Bioware oder auf Pflanzenbörsen, auf denen solche Ware angeboten wird.
  2. Pflanzen Sie vorzugsweise mehrjährige Stauden, dann müssen Sie nicht jährlich nachkaufen, sparen Geld und können nicht in die Pestizidfalle geraten.
  3. Ziehen Sie Pflanzen aus selbst gewonnenen oder als Bioware erhältlichen Samen oder machen Sie selbst Ableger aus Stecklingen. Bei geeigneten Pflanzen kann man auch Vermehrung durch Teilen des Wurzelballens machen. Wie das alles funktioniert, können Sie hier erfahren.
  4. Tauschen Sie selbstgezogene Pflanzen im Freundes-, Bekannten- und Verwandtenkreis aus, wenn Sie sicher sind, dass die Ihnen angebotenen Pflanzen frei von Pestiziden sind.
  5. Verzichten Sie auf den Einsatz jeglicher Pestizide an Ihren Pflanzen. Sofern es Probleme mit Schädlingen gibt, wenden Sie natürliche Mittel an wie Brennnesselsud und stärken Sie Ihre Pflanzen regelmäßig mit Brennnesseljauche und Sud von Ackerschachtelhalm.
  6. Sorgen Sie für permanente Bodenbedeckung und einen bunt gemischten Bewuchs – das fördert Nützlinge, die dabei helfen, Schädlinge im Zaum zu halten. Es fördert auch die Vielfalt von Insekten, die ja teils ganz unterschiedliche Ansprüche haben. Nebenbei reduzieren Bodendecker und/oder eine Mulchschicht auch den Bewässerungsaufwand.

Text: Corinna Hölzel, Dr. Bernd Alt

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